Reden wir über’s Wetter

///Reden wir über’s Wetter

Riesige Schneeflocken und ein eisiger Sturm, der nicht mehr Sichtweite als 30 Meter zulässt. Ja, ein Winter in Island kann schon nicht ganz einfach sein. Vor allem nicht, wenn man während eines Schneesturms mit einem Auto unterwegs ist, das nicht gerade aussieht wie ein Jeep. Da ist Feststecken vorprogrammiert…

Alles begann so schön: Anfang November fiel ein Schneeflöckchen nach dem anderen und die Stadt war wunderschön weiß gepudert. Noch dazu beginnen die Isländer bereits Ende Oktober mit der Weihnachtsdekoration und die Häuser und Vorgärten leuchten um die Wette wie in einem amerikanischen Weihnachtsfilm. Mit dem Schnee sieht das ganz besonders schön aus. Wenn der erste Schnee kommt, sollte man jedoch mit gutem Schuhwerk und gegebenfalls mit Spikes ausgestattet sein. Geräumt werden höchstens die Straßen und wenn die Fußgängerwege Glück haben, dann werden auch sie von der dicken Schneeschicht befreit. Salzstreuen ist hier ein Fremdwort. In den Städten gibt es jedoch eine bewährte Technik: Straßen und Gehwege, die im Stadtkern liegen, werden im Winter beheizt. Kurzum: Eine Outdoor-Fußbodenheizung.

Über ein Meter Schnee türmte sich auf den Gehwegen. Wer nicht feststecken wollte, musste auf den Straße gehen.

Über ein Meter Schnee türmte sich auf den Gehwegen. Wer nicht feststecken wollte, musste auf der Straße gehen.

Aufgrund der harten Winter ist es in Island nicht unüblich, dass gleich mehrere Flüge auf einmal ausfallen. Man steckt also nicht nur im Schnee fest, sondern auch auf der Insel. Deshalb haben viele Erasmus-Studenten bereits ihre Abreise Anfang Dezember geplant. Für eine letzte gemeinsame Erinnerung wollten wir noch einmal einen Road Trip machen und uns den Nordwesten Islands mit seinen schönen Fjorden anschauen. Unsere Gruppe, bestehend aus sechs Personen, plante ein Auto zu mieten. Am nächsten Tag standen wir mit gepackten Taschen vor der Autovermietung und mussten feststellen, dass es kein Auto mit mehr als fünf Sitzen gab. Einzige Lösung: Zwei kleine Autos (ich betone: ohne Allrad!) für den doppelten Preis.

Der Trip verlief ohne Probleme. Zum Abschluss gingen wir noch Burger essen. Und dann stand die 2,5-stündige Heimreise an. Die Kellnerin im Restaurant hatte uns noch darauf hingewiesen, dass in der nächsten Stunde ein Schneesturm über das Land fegen soll. Aus ihrem „Be Careful!“ haben wir uns natürlich nicht viel gemacht. Ein bisschen Schnee und Wind können uns schon nichts anhaben. Irrtum! Die Sicht während der Fahrt zwang uns mehrere Male zum Anhalten! Manchmal war die Sicht so schlecht, dass man nicht einmal mehr den nächsten Leitpfosten am Straßenrand sehen konnte. Unser Optimismus hatte uns bereits 108 km Richtung Heimat gebracht. Die letzte Stunde Fahrt musste doch auch noch zu schaffen sein.

Im isländischen Winter keine Seltenheit: Eine (Eis)zapf(en)säule

Im isländischen Winter keine Seltenheit: Eine (Eis)zapf(en)säule.

Alles dicht!

Ein rot aufblinkendes Schild am Straßenrand bewies uns jedoch das Gegenteil. CLOSED! Die Straße war unpassierbar und der Sturm wurde immer heftiger. Und die Aussichten sahen alles andere als vielversprechend aus: Der Sturm sollte sich am Folgetag fortsetzen und alle Straßen in ganz Island lahmlegen. Ich war den Tränen nahe, weil wir in nicht mal mehr zwei Tagen am Flughafen sitzen müssten, da wir eine Reise in die irische Hauptstadt geplant hatten.

Nun saßen wir an der nächst gelegenen Tankstelle und mussten eine weitere Nacht außerhalb von Akureyri verbringen. In dieser Situation wurden wir mit isländischer Gastfreundschaft überrascht: Eine Oma bat uns an, gegen etwas Geld fürs Erste in ihrem Haus unterzukommen. Wie es sich für eine typische Oma gehört, war sie äußerst vorsichtig und wollte, dass wir unter keinen Umständen das Haus verlassen. Ihr klarzumachen, dass wir nur kurz vor die Tür wollten, um über eine Weiterfahrt zu urteilen, war schwerer als die ganze Warterei selbst.

American Burger und kostenfreies WLAN erleichterten die Warterei.

American Burger und kostenfreies WLAN erleichterten die Warterei.

Den Folgetag verbrachten wir fast nur in der Tankstelle. Auch nach sechs Stunden Aus-dem-Fenster-Gestarre war der Sturm so heftig, dass wir kaum die Tankstellentür aufbekamen und beim Versuch dessen mein Schuh aufgerissen wurde. Ein weiteres Problem waren die gemieteten PKWs. Für jeden weiteren Tag, an dem wir die Autos nicht zurückbringen konnten, wurden mehr als 100€ pro Fahrzeug berechnet. Des Weiteren hatte es in der Nacht so stark geschneit, dass der Weg zur Straße mit einer dicken Schneeschicht bedeckt war. Wir versuchten die PKWs auf die Hauptstraße zu bekommen, doch die Reifen drehten sich ohne jegliche Vorwärtsbewegung. Der peitschende Schneewind erschwerte uns die Sicht beim Ausgraben und Anschieben der Autos. Meine Hose war innerhalb einiger Minuten so zugeschneit, dass sie einfror und auch meine Haarsträhnen wurden zu kleinen Eiszapfen. Ich fühlte mich wie in einem sibirischen Winter bei -40 Grad Celsius.

Höllenritt durch die Nacht

Gegen Abend versuchte ich noch die isländische Straßenwache anzurufen. „Die Straße ist jetzt für etwa ein bis zwei Stunden geöffnet. Wenn Sie es versuchen wollen, müssen Sie sofort fahren“, teilte mir die Mitarbeiterin mit. Binnen weniger Minuten saßen wir angespannt im Auto und versuchten durch den dicken Schnee auf die Landstraße zu kommen. Die Fahrt war ein Höllenritt: Ein liegengebliebener LKW versperrte uns fast die Durchfahrt. Der Schnee war bereits auf 1,5 Meter angestiegen. An manchen Stellen war er so festgefahren, dass es sich anfühlte, als würden wir in einem Karussell sitzen. Letztendlich haben wir es dennoch geschafft und ich bin mit einem kaputten Schuh davon gekommen. Mission completed!

Autos ohne Allrad sollten bei dickem Schnee lieber stehenbleiben.

Autos ohne Allrad sollten bei dickem Schnee lieber stehenbleiben.

Jetzt sitze ich mit Hendrik in unserer Lieblingsbar in Reykjavík, der Lebowski Bar, und wir schlürfen zu Weihnachtsmusik noch unseren Chocolate Peanutbutter Milkshake (sehr empfehlenswert!). Zum Glück sitzen wir in wenigen Stunden in unserem Flieger nach Dublin. Hoffentlich ohne Turbulenzen…

Maria

By |2017-11-01T08:36:03+01:00Dezember 9th, 2015|Explore Island, Island|1 Comment

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  1. […] aus allen Kulturen, drehten Filme, organisierten Events, kämpften sich durch Klausuren und Schneestürme und beendeten ihre Mission mit Erlebnissen für’s […]

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