All in, in Tallinn

///All in, in Tallinn

Erst Finnland und jetzt auch noch Estland… Gleich zwei Länder, bei denen sich der Otto Normalbürger denkt: Wat willste denn da?!  Unverständnis basiert oft auf Unwissenheit, welche ich heute mal wieder etwas reduzieren möchte. So wie ich euch in meinem ersten Post eine schmackhafte Imagekampagne fur „Suomi“ geliefert habe, so wird euch heute unser abenteuerlicher Trip in Estlands Hauptstadt Tallinn vom Hocker werfen, Erasmusstudenten-Ehrenwort!

Weil ich eben unverschämter Weise das Wort „Unwissenheit“ verwendet habe, hier erst mal eine kleine Erklärgrafik über die geographischen Schmankerl Finnlands. Das liegt keines Wegs „irgendwo da oben“, sondern zentral zwischen Norwegen, Schweden, Estland und Russland.

Geografische Lage Finnlands

Geografische Lage Finnlands

Finnlands feuchtfröhliche Fähren 

Die Routen zu den Städten der letzten drei Länder werden gerne mit der Fähre zurückgelegt. Die finnischen und schwedischen Jugendlichen funktionieren die Überfahrt größtenteils zur „Sauf-Tour“ um, bei der eher der (feucht fröhliche) Weg bzw. der günstigere Alkohol in Estland das Ziel ist. Uns interessierte natürlich voll und ganz der Charme des historischen Tallinns (zu 85 Prozent). Bis es soweit war, mussten wir aber einige Hürden zurücklegen. Das Schicksal hatte es nicht gut mit uns gemeint. 

Kurz gesagt mussten wir einiges umplanen, da der Personenverkehr Finnlands durch einen Streik am Abfahrtstag größtenteils lahmgelegt wurde. Zum Glück konnte eine finnische Kommilitonin von Lisa vier von uns mit dem Auto von Tampere aus mitnehmen. Bei strömendem Regen kamen wir dann endlich in Helsinki an. Tollkühn pirschten wir uns durch die klitschnasse demonstrierende Masse. In Finnlands Hauptstadt und Geburtsort von Samu Haber (das musste jetzt sein) sammelten wir dann unsere beiden anderen Gefährten ein. Diese konnten noch einen Platz in einem früheren, „fahrenden“ Bus nach Helsinki ergattern. Auf der LindaLine-Fähre ging es dann für wenig Geld und in rasanten 100 Minuten in das nördlichste Land des Baltikums. Das Wetter in Tallinn konnte man als semigut beschreiben. Die Sonne traute sich raus, der Auftritt blieb aber bescheiden.

Obacht beim Lebensmittelkauf und keine Scheu vor Provisiorien!

Wir rollten fröhlich mit unseren Trollis durch Tallinns Gassen und fanden dank unserer Anführerin Lisa schnell unser Domizil. Im Mo Hostel nahe der Altstadt sah alles etwas mitgenommen und extrem provisorisch aus. Trotzdem war es gemühtlich, das muss man auch erst mal hinbekommen fur elf Euro (ja, hier zahlt man mit Euro) pro Übernachtung und in einer zentralen Lage. Die Küche mit angrenzendem Esstisch erinnerte an Omas Stube. Voll Enthusiamus stürmten wir den estländischen Supermarkt, um uns für ein „fancy“ Frühstuck einzudecken. Das Resultat: Viel Schoki, extrem salziges Wasser (die kyrillische Aufschrift hat mich gelinkt) und eine große Packung Eier. Zurück im Hostel merkten wir dann: Hier gibt’s keinen Herd. Letzteres Problem konnten wir mit der Herstellung von Mikrowellen-Ruhreiern in Bechern auf pragmatische und ebenso charmante Art und Weise lösen (werde ich im Wohnheim fortsetzen).  Natürlich war unser Verlangen nach kulinarische Finessen danach noch nicht gestillt. Geplant war das Dinieren in einem landestypischen Restaurant. Diese waren aber restlos ausgebucht, woraufhin wir in eine Sportbar ausweichen mussten. Überraschenderweise war das Essen trotz sportivem Ambiente extrem lecker und wie es sich für Estland gehört, sehr günstig.

Seyd mir willkommen holde Maid, nach was düngt es euch?

Der historische Kern, die Altstadt Tallinns, hat nicht nur einen unbeschreiblichen mittelalterlichen Charme, sondern ist auch Mittelpunkt des Nachtlebens. Trotz frischen Temperaturen sitzen hier die Menschen draußen mit Decken vor den Restaurants und Bars und verbreiten ein schon fast mediterranes Ambiente. Wirklich in das Nachtleben eingetaucht sind wir aber erst am nächsten Tag. Der startete mit einer etwas verregneten, aber kostenlosen Stadtführung. Eine extrem motivierte Stadtführerin versuchte der Truppe (wieder mal zu 40 Prozent aus Deutschen bestehend) auf witzige Art die estländische Geschichte vor den Wahrzeichen nahezubringen. Die 500.000 Einwohnerstadt ist wunderschön. Ich hatte das Gefühl, in einer Filmkulisse für eine Mittlelalter-Soap oder in einer Märchenverfilmung zu stecken. Die Tallinner ziehen dieses Thema aber auch durch. Konsequent. In der Altstadt locken Burgfräulein, Henker, Gaukler und Co. mit ihren mehr oder weniger aufwendigen Kostümen in Restaurants, in das Foltermusuem oder in diverse andere Etablissements. Nicht nur an der Alexander Newsky Kathedrale, sondern auch in vielen Läden erkennt man den russischen Einfluss in dem kleinen Land. Pelze und Babuschkas lächeln dem Besucher von allen Seiten zu. Tallinn hat weiter Dinge zu bieten, die man als durchschnittlicher Westeuropäer nicht so oft sieht. Da wäre zum Beispiel die vielen selbsteingelegten Spezialitäten, die in diversen Märkten von Rentnern verkauft werden. Noch viel ungewöhnlicher waren aber die Grabsteine, die man hier zwischen Wurst, Trauben und Essiggurken kaufen kann. Naja wieso nicht, braucht ja irgendwie jeder mal. Genug davon – seize the night!

 

Drinkin‘ with Heisenberg!

Neon Graffiti an den Wänden, Reagenzgläser in allen Ecken und Männlein und Weiblein in Chemiekitteln. Was sich anhört wie ein weiteres Methlabor von Walter White oder eine wilde Sause von Chemiestudenten, ist Tallinns angesagteste Bar, die Labor Bar. Der Titel ist Program. Während man noch ganz geflasht von der „Wandbesprayung“ und diverser Lichtschläuchen ist, wandert die Aufmerksamkeit schnell zum/zur Barkeeper/in. Im feschen Chemiekittel werden hier Drinks stilecht in Reagenzgläsern und anderen „chemikalischen“ Gefäßen angemixt und serviert. Auch die Getränkekarten sind in diesem Stil gestalten. Perfektes CI, da schlägt das Herz eines Medienstudenten höher! Während auch unser Alkoholpegel ausschlug, entdeckte ich im Erdgeschoss den Dancefloor der Bar. Den weiteren Verlauf des Abends könnt ihr auch ohne chemische Grundkenntnisse denken. Wer es dann doch nicht zu den „Laborratten“ gehören will und es etwas schicker mag, sollte in den Club Privé gehen. Für durchschnittlich acht Euro Eintritt könnt ihr hier in High Heels und Hemd über die Tanzfläche fegen. Oder ihr sucht euch eine andere der unzähligen Feierlocations in Tallinn aus: Das Partyleben erhält von den dortigen Auslandsstudenten eine exzellente Bewertung und das soll was heißen!

 

Häppchen von überall

Am finalen Tag schlenderten ein weiteres Mal durch die Gassen der Altstadt. Auf dem Marktplatz griffen wir cosmopoliten Erasmusstudenten Leckereien aus aller Welt ab. Von einheimischen Brotaufstrichen über russisches Gebäck, hin zu türkischem Baklava, probierten wir alles. Währendessen wurden auf der Bühne traditionelle Gesänge und Tänze mehr oder weniger souverän aufgeführt. Mein persönliches Highlight waren die „süßen Estland-Omis mit den blauen Kleidern“. Die haben wir natürlich nach ihrem Auftritt Backstage zum meet-and-greet getroffen. Nach so viel Trubel flanierten wir mit Sushi-Wraps (kenne ich aus Australien, wieso gibt es die nur in so wenigen Ländern?) in der Hand zum Hafen. Hier kauften wir, wie der Rest der Überfahrtler, kräftig die günstigen vitaminreichen Trinkpäckchen und ganz viel Milch ein. Hust. Zufrieden und mit einem äußerst hohen Vitaminanteil im Koffer erreichten wir wieder finnischen Boden. Moi! Fühlt sich schon fast wie Zuhause an…

 

Christina

 

 

By |2017-11-01T08:36:04+01:00Oktober 14th, 2015|Explore Finnland, Finnland|0 Comments

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