Welcome Paisley!

„Ich mache ein Auslandssemster in Schottland, magst du mitkommen?“ – Das war die entscheidende Frage, die Jenny mir vergangenen November stellte. Ein Tag später stand ich bei Frau Dienerowitz im Büro und habe alle Anträge ausgefüllt. Ungeplant und unverhofft steuerte ich nun auf ein Auslandssemster zu. Flug buchen, Wohnung in Mittweida kündigen, sich um eine Kreditkarte und um die Kurse vor Ort kümmern? Ach das hat doch noch Zeit! Irgendwann im Januar hatte das dann alles doch keine Zeit mehr und am 1. Februar ging die Reise ins Unbekannte los.
Der Flieger brachte uns nach Paisley (schott.-gäl. Pàislig), eine Stadt in den schottischen Lowlands. Glasgow ist circa zwölf Kilometer entfernt, zum Flughafen in Glasgow sind es nur vier. Von der angegebenen Einwohnerzahl in Paisley von 75.000 darf man sich aber nicht täuschen lassen. Als Student, der direkt in der Stadt lebt, nimmt man Paisley eher als „Kleinstadt“ wahr, obwohl sie die fünftgrößte in Schottland ist. Zwar gibt es hier viele Möglichkeiten, um Lebensmittel einzukaufen, aber zum Klamotten shoppen nehme ich dann doch lieber den Zug nach Glasgow.

Ich lebe in dem Studentenwohnheim direkt neben der UWS (University West of Scotland). Das Studentenwohnheim ist mit circa 2.500-3.000€ pro Semester (je nach Eurokurs) mit Abstand die teuerste Unterkunft. Es gibt Alternativen für nur circa 300-400 € im Monat, allerdings muss man hier mit großen Abweichungen vom deutschen Mindeststandard rechnen. Heizungen und eine ordentliche Dämmung oder gar Doppelverglasung der Fenster sind für Schotten Fremdwörter. Falls ihr euch entscheidet, in eine private WG zu ziehen, gibt es auch hier oftmals Zoff wegen der Sauberkeit. Auch wenn ihr denkt, ihr seid nicht so „deutsch“, dass ihr es immer perfekt hygienisch rein haben müsst: Im Gegensatz zu Schotten, Franzosen, Spaniern oder Chinesen haben wir Deutschen doch nochmal ein anderes Verständnis vom Wort „Sauberkeit“.

Wohnheimsecurity, Flatpartys und Kulturenmix

Für einen Zeitraum von nur einem Semester ist das Studentenwohnheim allerdings definitiv die beste Wahl. Wieso? Der Hauptgrund sind wohl die Kontakte, die man hier sofort schließt. Im Studentenwohnheim direkt neben der Uni fühlt man sich gleich wie in einem kleinen Internat. Es gibt verschiedene „Corts“, das sind die Häuser, in denen man sich befindet; diese sind vier Stockwerke hoch. In den Stockwerken sind drei bis vier „Flats“ mit jeweils sechs Personen. Es ist auch möglich, ein Einzelapartment zu mieten, davon rate ich bei einem Auslandsaufenthalt über kurze Zeit aber ab.

In den Wohnungen hat jeder sein eigenes Zimmer (circa 12 qm) mit eigenem Bad. Die Küche teilen sich dann alle. Man hat einen eigenen Schrank und ein eigenes Fach im Kühl- und Gefrierschrank. Die Küchen sind groß genug, um sie auch gleichzeitig als Wohnzimmer zu nutzen. Jedes Semester findet eine dreiwöchige Inspektion der Wohnheimsecurity statt, um zu prüfen, ob die Wohnungen sauber gehalten werden. Dadurch wird auch der faulste Student zum Putzen angeregt.

Legendär sind die sogenannten „Flatpartys“ oder auch „Prepartys“. Fast täglich gibt es die Möglichkeit, in der Küche einer „Flat“ zu feiern. Das ist perfekt, um neue Leute kennen zu lernen. Fast jeder im Studentenwohnheim ist ein Erasmus-Student, man fühlt sich irgendwie immer sofort miteinander verbunden und der Gesprächsstoff geht nie aus. Fühlt man sich in seiner eigenen „Flat“ wohl, werden die „Flatmates“ schnell zur Ersatzfamilie. Fühlt man sich nicht wohl, verbringt man den ganzen Tag eben in der „Flat“ eines Freundes. Ich verstehe mich zwar sehr gut mit meinen „Flatmates“, verbringe aber die meiste Zeit in Jenny’s Wohnung, da ihre Mitbewohner und deren Freunde inzwischen wie eine große Familie für mich sind. (Mit Jenny bin ich zusammen aus Mittweida nach Schottland gereist.) In Jenny’s Wohnung treffen viele Kulturen aufeinander, so haben wir neben uns Deutschen eine Spanierin, drei Franzosen und einen Polen. Das ist genau der Kulturaustausch, den ich mir bei Erasmus vorgestellt habe. Und es funktioniert einwandfrei, da jeder weiß, dass man auf andere Kulturen Rücksicht nehmen muss.

Weg von der eigenen Nationalität

In unserem Studentenwohnheim wimmelt es nur so von Franzosen und Deutschen. Mein persönlicher Tipp für alle, die ein Auslandssemester machen: Weg von der eigenen Nationalität! Natürlich ist es schön, mal wieder die eigene Sprache sprechen zu können, und ich muss zugeben, da ich mit Jenny zusammen hergekommen bin, rede ich auch eigentlich zu viel Deutsch hier, aber das ist nicht Sinn der Sache. Viele Franzosen können von vorneherein nur schlechtes Englisch sprechen, deshalb bleiben sie gerne in Grüppchen und sprechen natürlich nur französisch. Dadurch verbessern sie aber nicht ihre Englischkenntnisse.

Mein Glück war, dass ich die ersten Wochen nur Jenny als Deutsche um mich hatte, ansonsten musste ich mich wirklich auf Englisch unterhalten. Mit der Zeit habe ich nun auch andere Deutsche kennengelernt, aber dabei entstehen wirklich nicht so interessante Konversationen wie mit den Studenten anderer Nationen. Auch wenn wir fast alle aus Europa sind, sind die kulturellen Unterschiede teilweise riesig und es ist einfach interessant, diese verschiedenen Kulturen kennen zu lernen.

Yasemin

By |2017-11-01T08:36:06+01:00Mai 7th, 2015|Explore Schottland, Schottland|0 Comments

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