Homeless in Reykjavík

///Homeless in Reykjavík

Das Erste, was mir begegnete, als ich aus dem Flieger stieg, war der Gestank nach faulen Eiern. Der eisige Wind ließ meine Hände fast erfrieren während ich versuchte, meinen Monster-Koffer in den Bus zu hiefen. Zum Glück  half mir der nette Busfahrer, der mich gleich auf Deutsch begrüßte. Ein Deutscher in Island? Ganz alltäglich!

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich über Island nichts wusste, außer dass es hier einen Vulkan gibt. Und nicht mal dessen Namen konnte ich aussprechen. Nun bin hier seit etwa zwei Monaten und kann nun mit Gewissheit sagen, dass es neben dem Eyjafjallajökull (Die Aussprache ist für mich immer noch unmöglich!) noch 30 weitere aktive Vulkane gibt, die vier bis fünf Mal im Jahr ausbrechen. Und nicht nur die vielen Vulkane haben mich überrascht: Auch die geringe Bevölkerungsanzahl, die relativ kleine Hauptstadt Reykjavík und diese meilenweite Leere, die einem begegnet, wenn man die Ringstraße entlangfährt, Islands einzige Hauptstraße, die einmal um die komplette Insel führt.

Stressiger Beginn

Besonders stressig waren die ersten Wochen, da wir in Reykjavík waren und somit keine Wohnung hatten. Es ist ziemlich beschissen, wenn das Semester eigentlich Ende August beginnt (ja, in Skandinavien legen die ein bisschen eher los, haben dafür aber auch eher Schluss) und deine Wohnung aber erst ab dem 5. September frei wird. Laut Website unserer ausländischen Hochschule soll das Wintersemester nämlich am 24. August beginnen. Deshalb buchten wir unseren Flug für den 18., um noch ein bisschen Zeit vorher zu haben, um die Stadt besichtigen zu können. Leider stellte sich letztendlich heraus, dass das Semester hier erst eine Woche später, also am 31. August, beginnt. Wir mussten uns also noch eine zusätzliche Woche mit quietschenden Hostelbetten herumärgern. Zwar lernten wir durch Couchsurfing, Hostel, Airbnb und Co allerlei neue Leute kennen, aber man hat einfach nie seine Ruhe und ich hatte ständig Angst, dass mein Laptop oder andere Wertgegenstände geklaut werden könnten. Aber wer in Island lebt, braucht keine Angst um seine Sachen zu haben, denn wie uns Einheimische erzählt haben, gehört Island zu den Ländern mit der geringsten Kriminalitätsrate. Man kann also ganz leichtsinnig sein iPhone unbeaufsichtigt auf der Fensterbank liegen lassen und das Fahrrad unabgeschlossen an die Hauswand lehnen.

Begegnet auf einem auf der Insel so oft wie isländische Schafe und Pferde: Vulkangestein.

Begegnet einem auf der Insel so oft wie isländische Schafe und Pferde: Vulkangestein.

Die Sache mit den Deutschen

Wer vor hat, ins Ausland zu gehen, dem empfehle ich auf jeden Fall schon eine Unterkunft vor Antritt der Reise zu haben. Denn gerade in Island sind Hostelzimmer nicht gerade günstig. Darüber hinaus hatte ich die ersten Wochen etwas Heimweh und dann ist daheim auch noch meine Katze gestorben (R.I.P. Minka). Gerade da wünscht man sich ein eigenes Zimmer und das Gefühl, endlich mal angekommen zu sein. Aber natürlich hatten wir auch schöne Momente: Der Schwefelgeruch, der durch das offene Fenster morgens in Zimmer trat, ließ uns erahnen, dass einer unserer Zimmerbewohner wohl etwas Falsches gegessen haben musste. Wie gut, dass sich dann am Ende herausstellte, dass der üble Geruch nach verfaulten Eiern von den umliegenden Vulkanen stammt und nicht von einem unverschämten Touri mit kompletter Jack Wolfskin-Ausrüstung. Ja, ihr habt richtig gelesen! Denn hier in Island und wahrscheinlich auch in vielen anderen Ländern erkennt man die Touristen meist an ihrer Bekleidung. Und wenn jemand perfekt ausgestattet mit seiner Jack Wolfskin-Jacke vor dir steht, kannst du dir sicher sein, dass es ein Deutscher ist. Und von denen gibt es reichlich in Island. Das habe ich vor allem an unserem ersten Tag in der Hochschule gemerkt. Wir sind etwa 45 bis 50 Austauschstudenten, davon sind 17 (!) deutsch. Ich muss zugeben, dass es anfangs etwas ernüchternd war, da man sehr schnell wieder deutsch spricht und man ja eigentlich ins Ausland geht, um neue Kulturen kennenzulernen. „Da hättest du auch in Deutschland bleiben können!“, erwiderte meine Mutter am Telefon, als ich ihr davon erzählte. Im Endeffekt finde ich es doch nicht so schlimm, da vor allem das Kennenlernen mit den anderen Studenten leichter fällt, wenn man sich in seiner Muttersprache unterhalten kann und natürlich versuchen wir auch untereinander, viel Englisch zu sprechen. Apropos Englisch: In die Sprache habe ich relativ zügig reingefunden und das mit einer Vier in Englisch. Trotz der nuscheligen Aussprache der Isländer sprechen sie sehr gutes Englisch. Denn hier wächst so gut wie jeder mit Englisch als „zweite Muttersprache“ auf.

Bei typisch isländischem Wind ist es gar nicht so einfach, ein Gruppenfoto zu machen. Unsere Truppe besteht übrigens schon aus vier Deutschen ;-)

Bei typisch isländischem Wind ist es gar nicht so einfach, ein Gruppenfoto zu machen. Unsere Truppe besteht übrigens schon aus vier Deutschen 😉

Wo bleibt der Campusteller?

Sehr überrascht war ich, als ich bemerkte, dass der Großteil meiner Dozenten gar keine Isländer waren: Ein Italiener, eine Dänin, eine Schottin und natürlich ein Deutscher. Und ehrlich gesagt, sind die Kurse relativ straff. Essays schreiben, Präsentationen vorbereiten und die Online-Prüfungen am Wochenende gehören, glaube ich, zu den Dingen, die kein Austauschstudent gern machen will. Ein dänischer Austauschstudent meinte zu mir, dass das in Skandinavien ganz normal sei. In Dänemark kommt es schon mal vor, dass eine Prüfung etwa sechs Stunden dauern kann.

Das Schlimmste jedoch ist die kleine Mini-Mensa, die außer hohen Preisen sowie einer Suppe und einer Hauptspeise nichts zu bieten hat. Außer vielleicht noch belegte Brote oder ein Wrap, aber das kostet umgerechnet schon etwa 6 €. Und Vegetarier müssen hier zu Fleischessern werden. Da wünsche ich mir glatt wieder den Mittweidaer Campusteller mit fettigen Pommes für 1,85 €!

Uni online

Besonders toll finde ich aber, dass so gut wie jeder Dozent seine Vorlesung aufzeichnet. Der Grund dafür ist, dass viele Studenten nicht in Akureyri leben und dadurch den Vorlesungen folgen können – ganz egal ob sie in einem Fischerhaus in den Westfjorden leben oder auf einer Schafsfarm mitten in den Bergen. Das kommt mir sehr zugute, da ich mich besonders an eine isländische Gepflogenheit gewöhnt habe – dem Ausschlafen.

Von Reykjavík nach Akureyri: Vor uns lag eine sechsstündige Busfahrt. Akureyri ist mit etwa 17.000 Einwohner ein wenig größer als Mittweida und die viertgrößte Stadt Islands.

Von Reykjavík nach Akureyri: Vor uns lag eine sechsstündige Busfahrt. Akureyri ist mit etwa 17.000 Einwohner ein wenig größer als Mittweida und die viertgrößte Stadt Islands.

Maria

By |2017-11-01T08:36:04+01:00Oktober 28th, 2015|Explore Island, Island|0 Comments

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