Eine Sozialstudie, mehr von Markku und Mondnazis.

//Eine Sozialstudie, mehr von Markku und Mondnazis.

Mehr als zwei Monate in Soumi sind rum. Als ich diesen Text angefangen habe, stand ich noch mitten im ersten Monat. Einfach viel zu tun hier. Jetzt möchte ich aber diese Zeilen endlich aus ihrer undankbaren Existenz des WordPress Entwurfsgefängnis befreien.

Zwischen dem obligatorischen “Moi“, “Kiitoos” und “Hyvää yötä” fühle ich mich hier mittlerweile schon anständig “eingefinnt”. Verstärkt wird dieses Gefühl durch sämtliche Finnischkurse, die an unserer Uni angeboten werden. (Vielleicht sollte ich es noch erwähnen, meine Kurse hier finden auf Englisch statt.) Ich lerne (naja ich versuche es)  hier nicht nur Finnisch, sondern bringe mit anderen aus der Kartoffel-Fraktion jeden Montag den deutschwilligen Finnen unsere liebliche Muttersprache bei. Dafür sind sogar zwei Credits in Sicht und der unendlichen Dank der finnischen Deutsch-Lehrerin Eeva, die, wenn sie könnte, die Deutsche Sprache in eine warme Pferdedecke einwickeln würde und tagelang mit ihr schmusen würde.

Ihr seht, der deutsch-finnische Austausch läuft hier wie am Schnürchen. In einem Kurs (nichtssagender Titel: Working in a Cooperative) sitze ich fast ausschließlich mit Finnen. Finnische Kunststudenten wohlgemerkt. Das kann zu sehr besonderen Aussagen führen. Auf die Aufforderung, man solle sich doch einmal vorstellen und sagen was unsere größte innere Antriebskraft für unser (berufliches) Tun darstelle, kommen fabulöse Zitate wie diese hier zustande:

Mein Hauptinteresse ist Grasrauchen und lesen, Philosophisches und so. Meine größte Antriebskraft ist die Legalisierung von Weed, ich bin nicht der Meinung, dass es ein Prestigeobjekt sein sollte.

Unserer “Abschlusstest” in diesem Kurs besteht aus dem Aufstellen eines Businessplan für ein fiktives Unternehmen. Er hat sich für einen Weed-Catering entschieden… Aber zurück zu den Fragen, die nächste ging um den Traumjo b/Traum-Arbeitsbedingungen. Diesmal ein Zitat einer anderen Kommilitonin (diesmal im originalen Englisch, kommt irgendwie authentischer):

In future I don’t want to work together with other people…´cause they are scaaary !

Selbe Person auf die Frage, was ihr größtes Ziel sei:

I would like to have a castle with a handsome british buttler called James and I want a gigant libary!

Die zukünftige Luftschlossinhaberin betonte das Wort “gigant” so unglücklich, dass der gesamte Kurs “children” verstand und sich angestrengt darüber den Kopf zerbrach was denn eine “children libary” (gibt es wirklich, habe ich in Stockholm gesehen) denn sei. Hier bleibt Spielraum für eure eigene Assoziationsfähigkeit.

Wer  jetzt denkt solche Aussagen würden den Verantwortlichen argwöhnische Blicke oder Spott entgegen bringen, der irrt. Ich als selbst ernannte Hobby-Soziologin wage, basierend auf einer privaten Verhaltensstudie, zu behaupten in Finnland wird ein großer Raum für das Individuum eingeräumt.  Natürlich gibt es echte “Typen” überall, aber die Akzeptanz der Andersartigen, der Extremen, der Querdenker, Zuspät-Kommer (Von wegen hier wird so viel auf Pünktlichkeit gelegt) und Illusionisten ist scheinbar endlos. Das Anders-Sein bzw das Einbringen von unkonventionellen Ideen oder einer extrem kontroversen Ansicht, wird hier keineswegs Schockmomente und Empörung auslösen. Es wird eher zu angeregten Disskusionen führen. Es bilden sich nicht wie so oft in  Deutschland zwei harte pro und contra Fronten. Auch wenn in der Vorlesung mal ein Handy klingelt, juckt das keinen. Meistens wird das Gespräch noch angenommen und kurz geplaudert. Natürlich ist das alles nicht sehr objektiv, da ich die meiste Zeit mit Kunststudenten studiere, aber auch in der zivilen Umgebung habe ich dieses Verhalten schon beobachtet. Folgendes, auf wahren Begebenheiten basierendes Szenario:

Du läufts auf der Straße. Sonntag 14 Uhr, strahlendes Wetter. Plötzlich wird deiner nüchternen Begleitung schlecht. Es folgt eine “Übergebung auf offener Straße”. Dabenen ein Cafe. Leute sitzen davor. Keinen interessiert’s. Jeder schlürft entspannt sein Getränk (hier sehr oft auch Milch) weiter.

Das soll jetzt nicht heißen Finnen seien empathielose Kreaturen. Bittet man um Hilfe bekommt man sie sofort. (Mir wurde vor einigen Woche mal so eben von einem Mann auf der Straße das Fahrrad fachmännisch repariert und als ich vor meinem Campus nach einem Feuerzeug fragte wurde mir gleich eine Streichholzpackung geschenkt.) Sie urteilen einfach nicht so schnell und vor allem nicht öffentlich. Rülpsen und Spucken in der Öffentlichkeit finden hier auch scheinbar viele normal, auch Frauen tun es. Sowas wie “Gaffer” habe ich hier auch nicht erlebt. Ich habe hier eine “jeder darf und soll sein eigenes Ding machen” Mentalität festgestellt. Hier gibt es nicht diese krassen Gruppenzugehörigkeiten wie in Deutschland, wo eng geschlossene homogene Gruppierungen mit dem selben (Life)style der Standard sind. Hier treffen die verschiedensten Typen aufeinander. Hoch leben die Individuen! Aber natürlich gibt es auch hier Massentrends, bzw einen typischen Style bei einer Vielzahl von Menschen zwischen 16 und 26. Hier zu sehen in meiner “typisch junge Finnen-Starterpack-Illustration”:

Finnstyle 2015


 Neues von Markku – Ausflug mit Hindernissen

Genug soziologischer Kram! Ihr wollte bestimmt wissen wie es unserem Lieblingskurs bei Markku weiter ging. Die Sauna-Lesson war natürlich phänomenal. Ich war erstaunt, dass sich wirklich alle aus dem Kurs zwischen den Saunagängen bei starkem Wind und Nieselregen in den  a****kalten See getraut haben. Ich kann euch sagen, so viel Adrelanin bekommt ihr noch nicht einmal auf der kränkesten Achterbahn! Wer dachte der Saunaausflug war alles, der hat falsch gedacht. Zur nächsten Sitzung ging’s erstmal in den Wald. Wieder an einen See. (Ist auch schwer hier etwas ohne einen See zu machen, die sind einfach an jeder Ecke). Anweisung zuvor von Markku im Klassenraum:

Geht zu dieser Stelle hier in den Wald, ich fahre mit dem Auto vor und grille schon einmal an!

Gesagt, getan. Wir kamen an der Grillstelle an. Schönes Plätzchen, schöner See, schöne Boote, aber kein Markku. Er hatte Probleme beim Bezahlen des Grillguts und musste noch einmal nach Hause düsen. Nach 40 minütigem Magenknurren kam er dann endlich mit seinem Hippie-Bus angebrettert und machte uns den Grillmeister. Bier gab es auch, sponsored by Markku. Und Banaaaanaaaaaas. Die fritiert man hier auch mal gerne, was dann natürlich auch ausprobiert werden musste. Finnische Kinder- und Trinklieder folgten, das nenne ich wirklich mal (finnischen) Event Tourismus. Laut Markkus Ankündigungen werden noch weiter Events folgen…

Makku unser Grillmeister
Markku unser Grillmeister
Idyllischer Platz am See
Idyllischer Platz am See

Es ist so viel passiert in den letzten Wochen, dass es sehr schwer ist noch hinterher zukommen. Ich werde es einigermaßen versuchen. Achso und nicht wundern wenn hier manchmal das  “ß” oder das “ü” fehlt, ich schrieb den Großteil des Textes notgedrungen mit einer finnischen Tastatur, weil mein Laptop vor kurzem gestorben ist (RiP.) und ich den Großteil des die betreffenden Buchstaben manuell einkopieren muss.

Noch mehr Geblogge

Neben unseren eventträchtigen Event Tourism Ausflüge haben wir natürlich auch “richtigen” Unterricht. In Media Channels and Platforms tummeln sich neben uns Ausstauschstudenten auch jede Menge Game Design und Fine Arts Studenten. Auch hier kann es ganz schön interessant werden. Eine unserer Hauptaufgaben in diesem Kurs ist es einen eigenen Blog zuführen (ohh toll noch ein Blog…) und auf Englisch Fragen zu teilweise extrem anspruchsvoll Texten (meisten aus dem Guardian, unserer schottischer Dozent Chris Smith scheint nichts anders zu lesen) zu beantworten. Daneben müssen wir ein Media Diary führen und alles was uns so an Medien entgegensprudelt in Form eines Posts zusammenzufassen. Aber zurück zu den Gamern und Künstlern. Schaut man sich ihre Blogeinträge an und hört ihnen bei den Diskussionen zu, macht es manchmal den Eindruck als wäre ihr Hauptziel dem Inhalt des Textes so entschieden wie möglich entgegen zustehen. Da kommen großenteils sehr interessante und unkonventionelle Ideen bei heraus, auf die man so schnell nicht gekommen wäre.  Es gibt aber auch so Momente, da entscheidet meiner Meinung nach eher die geringe Arbeitsmoral statt dem freien Kopf, was geantwortet wird. Da habe ich das Gefühl manche denken sich Folgendes:

Okay, ich habe jetzt zwei Möglichkeiten. 1. Ich lese den Text und versuche eine fundierte Antwort zu finden und zu begründen oder Option 2: Ich stelle das Ganze einfach als kompletten Bullshit, dar und spare mir die Arbeit.

Da kommt dann doch die Deutsche in mir raus, die mehr Arbeitsmoral fordert, ist ja ekelhaft. Das will ich garnicht. Über das “Deutsch sein” und Deutsche im Ausland allgemein habe ich vor einen eigenen Blogeintrag zukreieren, weil das für mich hier ein größeres Thema ist als gedacht.

Open your MINDTREK

Weiter mit dem Kurs. Eines der besonderen Ereignisse war die Mindtrek Konferenz.  Innerhalb unsere Kurses bekamen eine Einladung zu der fancy Veranstaltung. Das Beste: Es gab kostenloses Essen. ESSEN. KOSTENLOS. Wenn bei anderen Medienstudenten bevor einer solchen Veranstaltung Wörten wie “networking” und “new technology aufploppen, schwebt vor meinen Augen mir zu allererst einmal das Frühstücksbuffet. Neben dem fabulösen Köstlichkeiten durften wir, ausgestattet mit seriösen Namensschilder, mehr oder weniger aufregende Keynodes bestaunen. Alles stand unter dem Motto Open Data. Chancen und Gefahren beim Sammeln und Umgang von Daten aller Art. Da gab es zum Beispiel einen Mitarbeiter der Vatikan Bibliothek der erklärte, wie dort der gesamte Bestand digitalisiert wird. Es folgte ein Vortrag darüber, wie unbedachter Umgang mit persönlichen Daten in Social Media Leben zerstören kann. Mir hat besonderes die Präsentation zur Entwicklung und Produktion von Iron Sky gefallen. Ihr wisst schon, der Film mit den Nazis auf dem Mond. Ja, das haben wir den Finnen zu verdanken. Jarmo Puskala, einer der Macher zeigte uns wie mit Hilfe von Crowdfunding und Fan-Foren die spacigen Rassisten auf die internationalen Leinwände kamen. So ein wirkliches Konzept hatten sie am Anfang dabei gar nicht:

We were just some nerds that wanted to make a parody of Star Wars.

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Und das haben sie am Ende auch geschafft. Die Skills dafür erlernte  Jarmo schon früh in seinem Heimatkaff irgendwo im finnischen Wald. Er half in dem Lebensmittelladen seiner Eltern aus. Dem einzigen weit und breit. Es war zwar ein kleines Geschäft in einer kleinen Gemeinschaft, aber es war dennoch ein Abbild der realen Wirtschaft. Und wie in der echten Wirtschaft musste er mit schwierigen Kunden umgehen und lernen alle zufrieden zustellen. Das bereitete ihn auf seine Zukunft als Filmemacher vor. Auch hier musste die Interessen mehrerer in Einklang gebracht werden. Wurde durch verschiedene Internetplattformen erst einmal eine gewissen Anzahl an Fans des Projekts generiert, sollten diese auch mit eingebunden werden. Nur Kohle über Crowdfunding abzudrücken reicht den meisten natürlich nicht. Über so genannte Shouting Contests konnten die Fans über verschiedenen Ideen abstimmen. Ganz schön demokratisch alles. Und es hat sich gelohnt . Iron Sky hat immerhin über sieben Million Euro eingespielt und hat den finnischen Film (okay Australier und natürlich auch Deutsche hatte ihre Finger mit im Spiel) international bekannt gemacht. Die Fortsetzung  Iron Sky- The Coming Race wurde nach dem selben Prinzip realisiert und wird gerade in Belgien gedreht. Da reitet übrigens Hitler einen T-Rex…

Die wissen wie es geht. Obwohl so genau kann es eigentlich niemand wissen was läuft im Internet oder nicht. Jarmo hat es in zwei wundervollen Zitaten auf den Punkt gebracht:

The internet works like training cats, sometimes it works, sometimes you get punched in the face.

I think this goat could earn more money with this video, than I will do in my entire life.

Wohl wahr, wohl wahr.

Von Space-Nazis zu Robotern für Zuhause

Highlight des MINDTREK war vorallem visuell die Pråsentation von InMove, einem Roboter zum Selbstausdrucken. Dabei kann man die Größe, die Farbe und die Materialen der einzelnen Komponenten variieren. Dazu braucht man: Eine spezielle Open Source Software, einen verfügbaren 3D Drucker und 1000 bis 1500 Euro. Das ganze kann dann im besten Falle so aussehen:

Im Anschluss gab es eine Aftershowveranstaltung zum obligatorischen Netzwerken (die Finnen waren da igendwie nicht so kontaktfreudig) inklusive noch mehr Essen und Trinken.

Selfie mit InMoov
Selfie mit InMoov
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Abschlussveranstaltung im Rathaus von Tampere
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Yummy.

#visits

Wenn man sein Auslandssemester in Europa macht ist, bietet es sich an Besuche von Daheim zu empfangen. In einem 12qm Zimme rkann das schonmal eine kleine Herausforderung werden! Der erste der sich ins nordische Finnland getraut hat war unsere Mittweida Mitstudentin Vanessa #vannyvisit. Ich glaub sie fand es ganz angenehm hier…



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Vanny ám posen

 

Auch meine Mami ist nach zig Jahren nochmal in einen Flieger gestiegen und eine Freundin aus dem heimischen Trier hat extra für einen kleinen Finnlandausflug ihre Mathevorlesungen sausen lassen. #mathestinkteh. Ein wirklich schönes Gefühl seinen Leuten dieses tolle, aber so unbekannte Land näher zubringen und gleichzeitig die Gewissheit zu haben, dass wenn man zurückkommt, wenigstens ein paar wissen worüber man spricht, weil sie selbst mit in der finnischen Sauna geschwitzt haben. Dort soll laut einem Interview mit Regisseur Timo Vuorensola, auch die Idee zu Iron Sky gekommen sein. Typisch. Bis zum nächsten Post.

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By |2017-11-01T08:36:04+01:00November 3rd, 2015|Allgemein|Kommentare deaktiviert für Eine Sozialstudie, mehr von Markku und Mondnazis.

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