Disfrutar y despedirse

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Wir waren Paintball spielen und reiten, wanderten und kletterten gemeinsam auf den höchsten Berg der Region, lagen jeden Tag am Strand und waren auf allen Partys fast immer bis zum Sonnenaufgang dabei. Wir haben jeden Tag und jede letzte Minute unseres Auslandssemester genossen. Aber was jeder verdrängen wollte: Den Abschied nach einem gemeinsamen halben Jahr.

Die Vorlesungen waren geschafft, weiter gings mit praktischen Projekten und allen Prüfungen. Und ja, man glaubt es kaum, aber nach einem halben Jahr habe ich sogar meine zwei mündlichen Tests in Spanisch mit 1,0 bestanden – ¡olé! Zu den anderen Prüfungen na ja, was soll ich sagen – mit dem Strand vor der Haustür lernt sichs nicht unbedingt leichter. Leider halten einen davon nicht mal Prüfungen in einer anderen Sprache ab, wie wir festgestellt haben. Jetzt, wo wir alle langsam endlich spürten, dass das mit dem Spanisch endlich funzt, hat sich uns nun auch der Inhalt aller Vorlesungen seit Februar eröffnet. Lang lang hats gedauert, gebracht aber leider nicht wirklich etwas. Also am Abend vor der Prüfung noch mal schnell in den Hefter geschaut und dann ab zum Strand zur Vorglüh- oder Abschiedsrunde von irgendjemandem. Man muss eben Prioritäten setzen.

Was viel wichtiger war: Möglichst viel noch gemeinsam erleben. Also hatten ein paar Mädels die Idee, als Überraschung für einen ESN-Organisator gemeinsam zum Paintballspielen zu gehen. Ein paar Tage später standen wir dann also da mit unseren blauen bzw. grünen Ganzkörper-Pyjamas und ballerten uns gegenseitig ab. Die Erfahrung wars auf jeden Fall wert, um das öfter zu betreiben, ist das Spiel aber glaube ich eher etwas für Hartgesottene. Die Betonung liegt bei Paintball wohl eher auf Ball als auf Paint, da die Kugeln echt knalle hart reinzwiebeln und gar nicht so leicht zerplatzen. Na ja – mit den zwei blauen Flecken wieder ein Mitbringsel für zuhause. Spaß hats im Team natürlich trotzdem gemacht, vor allem dann, als wir uns im Nachhinein die ganzen GoPro-Videos gemeinsam in einer WG angesehen haben.

So gings über zwei Stunden...
Nach dem Paintball - leider schon ohne unsere geilen Dresses.

Beim Nature Trip auf den Monduver hab ich mein Ziel zum Beachbody neben den sehr kuriosen blauen Flecken vom Paintball dann gleich vollends erfüllt. Nach zweimal Bodenküssen beim Abstieg hatte ich dann so ziemlich überall Schrammen. Sonnenbrand noch und perfekt – in solchen Dingen bin ich Expertin. Trotzdem wars einfach nur wunderschön. Der lange und ziemlich anstrengende Aufstieg bei über 30°C hat sich nach vier Stunden wirklich gelohnt. Oben angekommen hatten wir die bisher definitiv beste Aussicht auf Gandía, das Mittelmeer und die restliche Umgebung. Nach einer kleinen Siesta stiegen wir dann wieder ab und waren mehrere Stunden später am Ende angekommen auch selbst so ziemlich am Ende.

Monduver und die Umgebung um Gandía mit Mittelmeer.
GoPro-Pic!
Bissel fertig vom Aufstieg und Klettern...

Aber natürlich wollten wir in den letzten Wochen auch nochmal das mit dem Reiten in Angriff nehmen. Also liefen Conny, Julia und ich an einem – mal wieder heißen – Tag entlang der Schnellstraße in die Himmelsrichtung, wo wir dachten, mal einen Reiterhof gesehen zu haben. Genau so lange, bis uns die Polizei aufgabelte, die uns aber dann den richtigen Weg zeigte und darauf hinwies, dass die Schnellstraßen nicht zum Spazierengehen gedacht sind. Ach Quatsch.
Mit dem Ausritt holten wir uns gleich die volle Portion Spanien – denn wann reitet man schon einmal erst durch meterhohes Gras, dann mitten durch die Stadt inklusive Kreisverkehr bis zum Strand, kommt später quasi an der eignen Haustür in einer der größten Hauptstraßen Playa de Gandías vorbei, steigt dann ab und macht eine kleine Siesta mit Bier, Tapas und Pferd? Richtig, hier. Für maximale Unterhaltung sorgten die vielen spanischen Reitbegleiter, für die wir wohl die beste Attraktion waren. Typisch spanisch hat natürlich auch das Temperament beim Reiten nicht gefehlt. Julia hat ein paar Büsche mitgenommen, während Conny und ich mit Victor freihändig im Galopp lustig unsere Handyvideos gedreht haben. War schon eine geile Aktion.

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Bevor es uns wieder in alle Länder der Welt trieb, mussten aber natürlich auch noch die letzten Abende genossen werden. Fast immer sind wir geblieben bis der Club geschlossen wurde. Spanien hat uns eben doch verändert. Legendär war wohl das letzte Mal Varadero. Vorher haben wir schon fast den ganzen Tag am Strand verbracht, erst mit Sonnen und Meer, dann beim Kartenspielen und zuletzt beim ultimativen Beach-Beerpong. Ja das geht – sogar ich hab ein paar Mal getroffen, und das nicht nur in den Sand neben den Bechern. Ja ja, Übung macht eben den Meister. Auch wenn Meister eventuell doch (noch) nicht ganz zutrifft. Über die Nacht haben wir dann zum letzten Mal im Varadero die üblichen El Taxi-Reggaetonlieder gefeiert, bis wir eben rausgeworfen wurden. Powernap für eine Dreiviertelstunde und weiter gings wieder an den Strand Sonnenaufgang gucken. Dass es vorher schon relativ hell ist, täuscht wie Genki und ich gemerkt haben. Gemeinsam sind wir um sechs Uhr vom Las Alondras losgerannt wie die Blöden, bis wir am Meer waren, um festzustellen, dass es eh noch dauert. Es geht doch nichts über ein bisschen Morgensport. Etwas später standen wir dann alle in einer kleinen Gruppe am komplett verlassenen Strand und genossen gemeinsam einfach den Moment. Genau das sollte man eigentlich echt viel öfter tun.

Nach der Macro-Despedida, also dem “Riesenabschied” der Uni mit Poolparty, einem gemeinsamen Essen, Bar und Disco kam der Abschied dann langsam immer näher. Jeden Abend haben wir den Abschied von immer mehr Leuten gefeiert. San Juan, das Fest zur Sommersonnwende in Spanien, hat die letzten Tage perfekt gemacht. Überall am Strand wurden bei Sonnenuntergang langsam kleine Feuer errichtet, und um jedes saß eine kleine Gruppe an Leuten. Straßenmusiker, Kapellen und kleine Bands boten musikalische Unterhaltung. Zuerst betrachteten wir das Geschehen genießend von Chiaras Balkon direkt an der Strandpromenade, dann zogen wir aber auch selbst los. Mitternachts gabs dann das große Feuerwerk, gleichzeitig wurde der große Holzhaufen am Strand angezündet. Und nicht nur mir ist in dem Augenblick eine kleine Träne runtergekullert. Der Abend war einfach nur perfekt. Einfach perfekt.

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Der richtige Durchbruch kam dann leider auch noch –  genau an Chiaras und meinem letzten Abend. Bis die Leute für einen kleinen letzten Umtrunk am Strand kamen, saßen wir einfach nur in der Dunkelheit da, starrten aufs Meer und mussten uns gegenseitig davon abhalten, irgendwie ans Ende von diesem Semester und all dem hier zu denken. Ein Glück kam dann ein ganzer Schwung von Erasmus-Leuten samt einer halben Couch (?) und viel Sangria. Bis die Strandbereinigungsfahrzeuge losfuhren, war die Stimmung noch ausgelassen. Dann ging es los. Am Ende haben fast alle geweint und lagen sich in den Armen. In der Nacht haben wohl alle plötzlich realisiert, dass das Semester wirklich ein Ende hat und das jetzt gekommen ist. Und dann kommt alles hoch. Dass man die Leute, die bereits gegangen sind, vielleicht nie wieder sehen wird. Dass die Gruppe so, wie sie an dem Abend war, nicht wieder zusammentreffen wird. Auch wenn die Grouphugs ein bisschen geholfen haben, wir waren alle völlig am Ende. Für mich hieß es nur kurz eineinhalb Stunden schlafen und dann zum ersten Bus zum Zug zur Metro zum Flughafen. Über die ganze Reise bis nach Deutschland sind mir immer wieder die Tränen gekommen. Ich konnte es einfach nicht realisieren und akzeptieren. Und kann es immer noch nicht.

Playa de Gandía - unser Zuhause.
Playa de Gandía – unser Zuhause.

Auf einem Auslandssemester findest du Freunde aus der ganzen Welt. Man lebt zusammen, man feiert jede Party zusammen – keiner kann mal eben schnell “nachhause” zu seiner Familie oder anderen Freunden. Gandía ist zu einem zweiten Zuhause für uns geworden – und die Erasmus-Gruppe zu einer zweiten Familie.

Das Traurige daran ist, dass es nie wieder so sein wird, wie in der Erasmus-Zeit. In sein Heimatland kann man zurückkehren und die meisten Freunde und Familienmitglieder sind noch da. In Gandía ist bald keiner mehr von uns. Trotzdem hoffe ich, dass man den ein oder anderen doch irgendwann noch einmal wiedersehen wird.
Zumindest haben wir jetzt nach dem letzten halben Jahr so ziemlich überall auf der Welt ein Bett und ein kleines Zuhause.

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By |2017-11-01T08:36:05+01:00Juli 18th, 2015|Europa, SPANIEN|Kommentare deaktiviert für Disfrutar y despedirse

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